Samstag, 8. Januar 2011

Logik-Rätsel zum neuen Jahr: Ockhams Obstkisten

Auch heuer gibts hier wieder unser kleines philosophisch-mathematisches Neujahrs-Gewinnrätsel und es dürfte kaum schwieriger zu lösen sein als die letzten beiden. Diesmal mach ma einen Zeitsprung ins Spätmittelalter, als die Kunst der Aristotelischen Logik in den 'wissenschaftlichen' Beweisführungen der Scholastik eine zentrale Rolle spielte.

William von OckhamDer englische Franziskaner, Theologe und Philosoph William von Ockham (1285-1347) war bekannt für die analytische Schärfe seines Verstands - auch deshalb ist das in der Wissenschaftstheorie bis heute wichtige Prinzip von "Ockhams Rasiermesser" nach ihm benannt.

Als sich der kirchenkritische Ockham wegen des päpstlichen Vorwurfs der Häresie im Jahr 1330 zu seinem Freund und Beschützer Kaiser Ludwig IV. der Bayer, der sich damals ebenfalls im Streit mit dem Papst befand, nach München ins Exil begab, war ihm der Ruf als scharfsinniger Denker schon voraus geeilt. Und als er dann das erste Mal über den Viktualienmarkt bummelte, wollte eins der dortigen Marktweiberl unbedingt rausfinden, ob der Engländer so schlau war wie behauptet.

"Na, Meister Ockham", rief sie ihn herbei, "seht Ihr diese drei Obstkisterl auf meinem Dacherl? In einem sind Äpfel, im anderen Birnen und im dritten Äpfel und Birnen gemischt. Und Ihr seht, dass an alle drei Kisterl ein Holzschild hängt wo einmal "Äpfel", einmal "Birnen" und einmal "Äpfel & Birnen" draufsteht. Nur hängen aber alle drei Schildchen am falschen Kisterl.
Jetzt dürfens einmal in ein Kisterl nei langa und ein Obst rausholen, ohne Neischaun und ohne Rumfingern, was sonst no drin is. Und dann hängens mir bittschön die Schilder an die jeweils richtige Kistn."

Ockham überlegt nicht lang, streckt einen Arm zum Dacherl rauf, holt eine Frucht aus einer der Obstkisten und hängt dann die Beschriftungsschildchen so um, dass sie zum jeweiligen Inhalt der Kisterl passen.

Preisfrage: Mit welchen logischen Überlegungen hat Ockham die Aufgabe sicher gelöst?

Wer mag, kann uns die richtige Lösung (in zwei, drei kurzen Sätzen) wieder zusenden (bitte nicht hier in den Kommentaren posten!) - unter allen richtigen Einsendungen verlosen wir diesmal je zwei Rock- und zwei Jazz-CDs.
Einsendeschluss ist der 31. Januar 2011.

wf


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Sonntag, 19. September 2010

Jimi, der Himmelsküsser

Zum 40. Todestag von Jimi Hendrix

Als ich mein Kinderakkordeon gegen die erste Gitarre eintauschte, war Jimi schon zwei Jahre tot, aber mein Gitarrenlehrer Hannes hatte ihn noch live bei seinem letzten Auftritt auf der Insel Fehmarn gesehen. Der Auftritt sei ein musikalisches und menschliches Desaster gewesen, statt eines Gitarrengottes schattete ein Drogenwrack über die Bühne und zwölf Tage später wurde Hendrix tot im Londoner Samarkand Hotel aufgefunden, voll mit Alkohol und Schlaftabletten und an seinem Erbrochenen erstickt.

jimi hendrixDiese traurige Geschichte hatte die Begeisterung meines Lehrers für Hendrix' Musik kein bisschen geschmälert, vielleicht war sie sogar mit ein Grund für seine fast kultische Verehrung, und so bekam ich zum Ende jeder Unterrichtsstunde was von Hendrix zu hören, zuerst von Platte, dann so halbwegs nachgespielt von Hannes, manches Stückerl fünfmal hintereinander. Und obwohl ich eigentlich noch etwas zu jung war für die Droge des hippie-erweiterten Denkens und Fühlens, empfand ich doch bald genau wie Hannes jenen genialen Lärm als rebellische und einzig legitime Ansage gegen die musikalische Spießigkeit, gegen das ganze Ohrwurmgesäusel, Polkagehopse und Dschingderassabumm des links-zwo-drei-vier meiner Kindheit, die ich so gern hinter mir lassen wollte.

Als dann irgendwann mein Zusammengespartes reichte, war meine erste E-Gitarre natürlich auch eine Stratocaster, so eine wie Jimi gespielt hatte, und nach und nach kamen ein paar Fußpedale nebst ausgewachsenem Marshall-Turm dazu, aber irgendwie bekam ich den Sound nie hin. Doch außer meinem spieltechnischen Unvermögen musste es noch einen anderen Grund dafür geben, einen geheimen Zauber, der mir und auch Hannes verschlossen blieb.

Auf die Suche nach diesem Zauber macht sich auch die Jimi-Hendrix-Biographie, die der Musik- und Kulturphilosoph Klaus Theweleit zusammen mit Rainer Höltschl vergangenes Jahr vorgelegt hat. Will ich hier nicht weiter besprechen, da das bereits Willi Winkler ausführlich in der Süddeutschen Zeitung getan hat; verraten sei aber, dass manche Fans das Geheimnis für dieses ins Transzendente reichende Zauberspiel in der Version sehen, die Hendrix selber gern verbreitete: dass ihn "Außerirdische auf einer Parkbank in Birmingham abgesetzt hätten, dass er also, vaterlos, mutterlos, schwerelos, wie er war, gar nicht anders konnte als zur Gitarre zu greifen und das zu spielen, was ihm fehlte: der Weltraum, das All, das Fernferne da draußen. 'xcuse me while I kiss the sky."

Und dann machte er sich schnell wieder vom Menschenacker, bevor die epigonalen Pragmatiker der Rockmusik auf uninspirierten Verzweiflungs-Revival-Tourneen rumzuhampeln begannen oder bei Gottschalk als Wettpaten die anarchistischen Ideale für Quote und Gnadenbrot verrieten - too old to die young...

Dieser Stoff, mit dem der irrationale Himmelsküsser freakige Jugendträume befeuerte, wirkt auch heute noch, wie die Zugriffszahlen hunderttausender YouTuber zeigen. Am Nachhaltigsten vielleicht in seinen lasziv-melancholischen, filigranen Songs aus einer Traumzeit in Trance wie etwa The Wind Cries Mary (live at Monterey 1967):




wf

Dienstag, 10. August 2010

Schnupp dir was

“Gedanken sind Sternschnuppen, die besten stürzen lautlos an unserer Lebenssphäre vorbei. Nur zufällig erblickt jemand am Nachthimmel das lichte Gedachte, wie es vorbeischießt und erlischt. Manche Werke und Bilder aber gleichen Sternbrocken, die unsere Lebensbahn immer wieder kreuzen.” (Botho Strauß)

sternschnuppeMitte August ist alljährlich die beste Zeit zum Sternschnuppen-Gucken, weil da die Sonnenumlaufbahn der Erde die Perseiden, die verglühenden Staub-Abfälle in der Bahn des Kometen Swift-Tuttle kreuzt.
Mein Haus-Astronom sagt voraus, dass man heuer vom 10. bis 14. August wohl auch als normaler Beobachter ohne Teleskop oder Fernglas bei dunklem, wolkenlosem Himmel alle paar Minuten eine Sternschnuppe sehen kann, mit einem Maximum in der Nacht vom 12. auf den 13. August gegen 4:00 morgens - in den Tagen danach sollten aber auch noch ein paar "Nachzügler" aufkreuzen.

Die ersten Aufzeichnungen über Meteorströme fertigten schon vor über 2000 Jahren die Chinesen an, allerdings noch ohne die Erklärung, dass diese Teilchen in die Erdatmosphäre eindringen, sich an der Lufthülle reiben und dabei durch die Reibungshitze hell aufglühen. Vor ein paar Jahren ging das Gerücht, dass der Komet und die Erde beim astronomischen Feuerwerk im Jahr 2126 zusammenprallen könnten, nach aktuellen Erkenntnissen geht man aber von einer knappen Verfehlung aus.

Mit der etymologischen Neugier, die ja das kindliche Fragen nach den Weltzusammenhängen auch antreibt, wollte ich schon sehr früh wissen, woher das Wort “Sternschnuppe” eigentlich komme. Und weil’s damals noch keine Wikipedia gab, fragte ich also meine Oma, weil die ihre verkohlten und abgeschnittenen Kerzendochte “Schnuppen” nannte. “Schnuppe” hänge mit schnauben und Schnupfen zusammen und bedeute soviel wie “putzen”, erklärte sie mir, und wenn man Kerzen ausbliese, müsse man sie putzen, damit die glühenden Dochte nix entzünden könnten. Und weil die leuchtenden Meteore Putzabfälle der Sterne seien, nenne man sie deshalb “Sternschnuppen”, das habe sie im Grimmschen Wörterbuch gelesen.

Ahh, eine wunderschöne Erklärung, aber möglicherweise ist die dem astronomisch aufgeklärten Schnuppengucker von heute sowas von schnuppe

wf


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Freitag, 6. August 2010

Das Sommer-Ferienrätsel: Die Logik des Schweigens

Vielleicht fährt ja jemand von Euch in den Sommerferien in die Wüste, in der es bekanntlich nicht ganz ungefährlich ist. Auch Philosophen stehen dabei manchmal vor kaum lösbaren Rätseln, zumal kluges Reden in der wüsten Alltags-Praxis nicht immer hilft - im Gegenteil wird in folgender Problemsituation (in die hoffentlich niemand von Euch gerät) die Erkenntnis zur Rettung aus dem Schweigen gewonnen:

Die Logik des Schweigens


Vier Sahara-Touristen, die Sprachlogiker Frege, Russell, Carnap und Wittgenstein, werden von räuberischen Beduinen gefangen genommen und nach dem Ausrauben nackt und mit verbundenen Augen in einer Reihe hintereinander bis zum Kinn in den Sand eingegraben, so dass nur noch ihre Köpfe herausschauen.
Der Beduinenscheich befielt einem großen Kamel sich niederzulegen zwischen dem vordersten, dem Frege, und dem zweiten, Russell; Carnap ist Dritter und Wittgenstein ganz hinten.
Er setzt den vier Gefangenen zwei weiße und zwei gelbe Hüte auf, nimmt danach den Gefangenen die Augenbinden ab und sagt:







"Es gibt zwei weiße und zwei gelbe Hüte, die ihr irgendwie verteilt auf euren Köpfen habt und dessen jeweilige Farbe ihr selbst nicht sehen könnt. Wenn aber einer von euch sagen kann, welche Farbe sein eigener Hut hat, seid ihr frei und erhaltet eure Habe zurück.
Dabei darf vorher kein Sterbenswörtchen über eure Lippen kommen und eine falsche Antwort kostet euch das Leben!", wobei er furchterregend mit seinem Säbel die heiße Luft über ihren Köpfen durchschnibbelt.
Die Gefangenen können nur die jeweiligen Hüte vor sich sehen, wobei Freges Hut durch das Kamel für die Hinteren verdeckt bleibt. Der Scheich hat natürlich den gemeinsten Fall der Hutanordnung gewählt und lehnt sich höhnisch lächelnd wartend ans Kamel.
 

Nach etlichen Minuten gefährlicher Stille und angestrengten Nachdenkens bricht einer der Eingebuddelten das Schweigen und nennt die richtige Farbe seines eigenen Hutes, worauf der verblüffte, aber ehrliche Scheich sein Versprechen einlösen und die vier freilassen muss.

Welcher der vier sagt die richtige Antwort und warum?


Wer mag, kann uns die richtige Lösung wieder zusenden (bitte nicht hier in den Kommentaren posten!) - unter allen richtigen Einsendungen verlosen wir wieder drei, diesmal independent-rockige CDs aus unserem Musikverlag.
Einsendeschluss ist der 15. September 2010.

wf


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Freitag, 2. Juli 2010

Von den metaphysischen Freuden des Rauchens

Mit Larifari-Politik gewinnt man in Bayern keine Wahlen, und so war es nicht zuletzt der Schlingerkurs im Streit ums Rauchverbot, mit dem sich die CSU den lästigen gelben Fleck auf der schwarzen Weste selber eingesuppt hat. Nun soll per Volksentscheid am 4. Juli eine klare Linie zum Nichtraucherschutz her, wobei jetzt schon feststeht, dass unabhängig vom Abstimmungsentscheid auch auf dem nächsten Münchner Oktoberfest das Qualmen in den Saufzelten straffrei bleiben wird; aus der Jubiläumswiesn wird per oberbürgermeisterlichem Dekret (der übrigens SPD-ler ist) eine sog. “Übergangswiesn”.
Na, mir kann des eigentlich egal sein, denn a g'standner bairischer Grantler geht eh ned auf d' Wiesn, des is hauptsächlich a Event für Zuagroaste & Touries, für B-Promis & Schickies, die in ihren sauteuren Depperl-Boxen drauf warten, dass' für 3 Sekunden in der "Abendschau" blöd- & botoxgrinsen dürfen.

Aber als rauchender Bayer bin ich, auch wenn mir diese Volksentscheids-Partizipation eher als Alibi für die mitplappern wollende vox populi gedacht zu sein scheint, gelegentlich davon betroffen, wenn ich mich aus kulturellen oder sozialen Anlässen unters (Kneipen-)Volk mische.

Und kürzlich hab ich sogar mal ernsthaft dran gedacht, das Rauchen aufzugeben. Aber nicht, weil mir die Argumente der Nichtraucherschützer, die zunehmende gesellschaftliche Stigmatisierung der rauchenden Minderheit oder mein mitleidheischender Kontostand in den Sinn gekommen wären, sondern das hämische Grinsen des Berggifels, den ich partout mit'm Radl hinauf wollte. Da war nicht mehr der Weg das Ziel, sondern die nächste Verschnaufpause, natürlich mit Belohnungskippe.

rauchenUm gleich mal klarzustellen: bei Rauchverbot geh ich gar nicht so ungern vor die Tür, hat ja was Rituelles, aber ich gehöre nicht zu der Sorte Raucher, die um der psychischen Annehmlichkeiten der Solidargemeinschaft ausgegrenzter Minderheiten willen ihre Trotzhaltung hätscheln.
Oder das daraus resultierende und bindungseffiziente Verschwörergefühl beim Smirten vor der Kneipentür schamlos zum Anbandeln ausnutzen - das würd ich mir bei ausreichendem erotischen Interesse sogar als Simulant zutrauen. Auch wenn man mir beim Rauchen nicht mehr jugendliche Lässigkeit abnimmt, dafür aber vielleicht die Coolness des alten Skeptikers ;-)

Für mich liegt im Rauchen die sichtbare Verkörperung des dialektischen Prinzips, einerseits als eine Art grundsätzlicher Verneinung von Regeln zur Modelung des eindimensionalen Menschen und andererseits als ein Zeugnis von Selbst-Identifikation und Selbstbestimmtheit in der bewussten Förderung kreativen Denkens und Handelns. Dabei kulminiert Leibniz' Monadenidee in der Vorstellung vom Feinstaub als Kondensationskerne aller sichtbaren Materie und allen Lebens: der sich selbst organisierende Staub markiert eine Grenze, an der wir gerade noch erfahren können, wer wir sind und wo wir herkommen, was wir tun und was aus uns werden kann - übrigens auch ein schönes Thema in Hartmut Bitomskys Film über die "Phänomenologie des Staubes".

Das Betrachten der wabernden, flüchtigen Rauchwölkchen gaukelt das Bewusstsein sanft in metaphysische Spekulationen über die ins Unendliche reichende Verwobenheit alles Seienden, das aus der Soheit als Nicht-Identisches emergiert - eine angenehme Geistreise, die in dem uralten Bedürfnis des Menschen nach höherer Sinngebung gründet, so sehr er sich heute auch mit seinem unzureichenden Verstand um eine naturalistische Erklärung darum bemühen mag, wie aus Sternenstaub das Gefühl der Liebe entstehen konnte.

Ja, Sie haben Recht, ich rauch grad eine, und während ich all das eben Gedachte nochmal bedenke und dabei die vor mir am qualmbewegten Faden baumelnde Spinne immer wieder freundschaftlich in Schwingung blase, wird mir rauchklar, dass ich's nicht lassen mag und mir demnächst lieber ein leichtgängigeres Radl zulege...


wf














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Donnerstag, 1. April 2010

Outdoor-Philosophie am Schwedenfeuer

So langsam wird's Zeit, beim Waldbauern ihres Vertrauens die Stämme zurecht schneiden zu lassen für die bevorstehende Saison der Outdoor-Philosophie. Denn nicht jeder Denker verfügt selber über die praktischen Fertigkeiten beim Umgang mit der Kettensäge, um die Luftansaugstutzen für eine funktionierende Schwedenfackel verletzungsfrei und einigermaßen gerade ins Holz zu schlitzen.
Offene Lagerfeuer bedürfen heutzutage ja einer feuerpolizeilichen Genehmigungsprozedur, als ob man plane, dabei Hexen zu verbrennen (was zumindest bei uns in Bayern nur noch gelegentlich vorkommt), aber so ein mobiles Schwedenfeuer gilt im Privatbereich lediglich als beaufsichtigungspflichtige 'Befackelung' - kräftige Burschen können die Teile ja auch rumtragen ;-)

Schwedenfeuer - Foto wfAber auch so ein Schwedenfeuer kann beste Dienste leisten als wärme- und lichtspendene Quelle für das Wabern der geistigen Funkenmonaden, zur meditativen transzendentalen Entrückung von der biochemischen Banalität deines Daseins...

Denn erst durch das Feuer kam die Philosophie in die Menschenwelt. Allerdings durch eine, zumindest aus Göttersicht, moralisch eher fragwürdige Tat, als Prometheus mit einer frechen Aktion dem Götterschmied Hephaistos und der Athene das gemeinsame Feuer und damit ihre Weisheit entwendete und den von ihm bedauerten Menschlein schenkte.
Dafür wurde er bekanntlich von Zeus an einen Felsen gekettet und täglich fraß ein Adler an seiner Leber, bis Herakles kam und der Qual ein Ende machte.

(Die Story wurde tausendfach nacherzählt und interpretiert, so dass ich hier die literaturwissenschaftlich Interessierten auf die Arbeit von Prof. Hartmut Reinhardt zur Prometheus-Rezeption verweisen möchte.
Erwähnt sei noch, dass auch Karl Marx schon 1841 seinen frühen 'Genossen' die Losung mitgegeben hatte: „Prometheus ist der vornehmste Heilige und Märtyrer im philosophischen Kalender.“)

Jedenfalls nahmen die ionischen Naturphilosophen das Feuer als Urstoff allen Werdens und als Metapher für den Logos an, dessen Dynamik die Welt durchwaltet und dessen Wandlung ihr Seinsprinzip bildet.
Heraklit (der mit dem "panta rhei") hielt demzufolge das Feuer für „ewig lebendig“ und „vernünftig“ und verband damit auch die Vorstellung, dass sich im Feuer „alles in einem“ finde, da aus allem Feuer und aus Feuer alles andere hervorgehen soll. Feuer als die kosmologisch-physikalische Form des Logos anzusehen sei denen unmittelbar einsichtig, die im Logos ein aktiv wirkendes Prinzip sehen: Wie das Feuer habe auch der Logos das Weltgeschehen zu steuern.

Seitdem war das Feuer eine Konstante, ein Meta-Mem der Naturphilosophie, unzählig oft besungen von den Denkern & Dichtern aller Zeiten, wie mal so vom pantheistisch-vernetzenden Goethe:

"Denn was das Feuer lebendig erfaßt
Bleibt nicht mehr Unform und Erdenlast."

oder mal so von dem spätromantisch-nationalistischem Dichter Ernst Moritz Arndt (1769-1860) :

"Aus Feuer ist der Geist geschaffen,
Drum schenk mir süßes Feuer ein."

_______________________________

Wer so eine zündfertige Schwedenfackel im Garten, auf Balkon, Terasse oder (in der Art eines Reserverads) im Kofferraum parat hält, kann sich jederzeit das Bedürfnis nach 'ner Runde Outdoor-Philosophie am Feuerchen erfüllen und steht somit auch verdammt gut da, wenn mal unerwartet geistreicher Besuch reinschneit ;-)

Schwedenfeuer - Bauanleitung / Geschichte (PDF)



wf

Mittwoch, 17. März 2010

Das Internet als Meta-Mem und 'Ding an sich'

Wie tiefgreifend das Internet unsere Weltgesellschaft, unsere Politik, Warenwirtschaft, Informationsverbreitung, Bildungsarbeit und Kultur verändert beziehungsweise schon verändert hat, zeigt sich auch daran, dass die Diskussion darüber mittlerweile an allen Stammtischen angekommen ist. Das mag ein Zeichen für den prinzipiellen partizipatorischen Charakter dieses sowohl passiv als auch aktiv nutzbaren Mediums sein, ist aber auch ein Ausdruck der allgemeinen Verunsicherung über die Konsequenzen, die Chancen und Gefahren dieser erweiterten intersubjektiven Kommunikation in einer gemeinsamen öffentlichen Welt. Das Internet ist dabei nicht nur selber schon zu einem Meta-Mem wie die Nutzung des Feuers oder der Dampfmaschine, wie die Meme der kulturellen und religiösen Vorstellungen geworden, sondern erschafft und verbreitet neue Meme in bisher unbekannter Geschwindigkeit und Intensität - kein Keim eines guten oder bösen Gedankens, kein zartes Liebesgedicht und kein dümmlicher Rassistenspruch lässt sich noch durch Quarantänemaßnahmen an der viralen Verbreitung hindern, nicht einmal durch restriktive Zensurversuche.

Die Dialektik dieses Prozesses, ob das Internet denn nun eher ein Medium der Aufklärung und Selbstbestimmung oder der Verblödung und Manipulation sei, polarisiert Skeptiker und Positivisten. Dabei können sich regulierende Gesetzgebung und moralische Reflexion nur bedingt auf kausale und empirisch allgemeingültige Entwicklungen beziehen, weil das Internet im selbstorganisierenden Modus sowohl durch technologische Entwicklungen (KI) als auch durch die funktionale Offenheit kommunikativer Systeme emergente Eigenschaften entwickelt, die sich der deterministischen Vorhersage entziehen.

Also echauffieren sich die Auguren und Kompetenzgaukler der Internetzukunft mit Spekulationen und subjektiven Sollensvorstellungen, und davon schwappen allmonatlich Tausende via Internetmedien ins Netz, was durch den dadurch gegebenen selbstreferenziellen Charakter ein wenig an die Hirnforschung erinnert: "Wenn das Gehirn so einfach wäre, dass wir es verstehen könnten, wären wir zu einfach, um es zu verstehen.“ (Emerson M. Pugh, 1977).
Etliche derartige Beiträge findet ihr bei entsprechender Stöberlust in diversen Medien-Blogs via unserer "Les-Bar".
Stellvertretend für die Positition der (nur scheinbar rückwärtsgewandten) Skeptiker sei hier nochmal der vieldiskutierte Essay "Payback" von Frank Schirrmacher genannt, als Vertreter der (nur scheinbar avantgardistischen) Internet-Euphoriker hinsichtlich dessen demokratischer Partizipationserweiterung äußert sich Thilo Baum in seinem Lounge-Artikel "Vorsicht, die Demokratie kommt!".

immanuel kantAngenehm distanziert tritt dagegen Björn Haferkamp im Philoblog Für eine Entmythologisierung des Internet ein - und natürlich kann man das Phänomen Internet auch aus einem semi-ironischen philosophischen Blickwinkel betrachten, wie es der Philosoph Markus Gabriel in einem FAZ-Interview dem guten Kant als posthume Gedankenspielerei untergejubelt hat: "Kant hätte im Internet eine komplexe Kopie der gesamten Vernunftstruktur gesehen: Wir haben eine Sinnlichkeit, also Informationsinput, wir haben Verstand, Regeln und wir haben Vernunft - wobei Vernunft in Kants Sinn dem Zusammenhalten verschiedener Informationsquellen entspräche. Sie kommt ins Spiel, wenn ich mich frage: nutze ich Google, oder greife ich zu einem anderen Angebot. Beim Überblicken der Vielfalt des Internets und der Auswahl zwischen unterschiedlichen Optionen, kommt die Vernunft zum Tragen."
Dabei entspräche das Internet dem „Ding an sich“ aus Kants Erkenntnistheorie, weil es anonym, unerkennbar und unüberschaubar sei, obwohl wir annehmen dürfen, dass im Hintergrund ideologische Kräfte walten.

Ich finde es höchst interessant zu beobachten, was die Nutzung des Internets mit unserem Denken und mit geistig-kulturellen Bewegungen in der Gesellschaft macht; indem die Privatsphäre des Denkens (wozu ich auch noch den Stammtisch zählen möchte) sich zunehmend davon entfernt, ein abgeschottetes Reservat zu bilden, weil fast jede Erkenntnis, die es aus einer Aussenwelt bezieht oder an diese liefert, heute schon mehr aus einem gemeinschaftlich frei nutzbaren Ideenpool stammt als aus der von individuellen Lebensumständen geprägten subjektiven und oft nur Wenigen zugänglichen Wissensauswahl. Die Kontingenz des Aufgenommen und damit der Pluralismus an Meinungen nimmt zwar allein durch die verfügbare Quantität noch zu, doch gleichzeitig ist diese Öffentlichkeit auch das Überlebenselixier für 'krude' Ideen (wie diese), die man vielleicht wie die Giftkröten im Amazonas-Dschungel eines Tages noch brauchen kann ;-)

In seinem Essay "Der Mythos vom Subjektiven" nimmt Donald Davidson diese (mögliche) Entwicklung von Memen im Internet vorweg: " Es ist nicht nur so, dass andere in Erfahrung bringen können, was wir denken, indem sie auf die kausalen Abhängigkeiten achten, die unseren Gedanken ihren Inhalt verleihen, sondern die bloße Möglichkeit von Gedanken verlangt gemeinsame Maßstäbe der Wahrheit und Objektivität."
Da darf dann auch der hegelianische Metaphysiker drauf hoffen, dass bei der Gelegenheit doch wieder mal der Weltgeist an den Stellschrauben zu einem bisher unerhörten Niveau menschlicher Geistestätigkeit mitwerkle ;-)


Nachtrag:
Hierzu passt auch ganz gut, wie Stefan Münker über "Das Netz denkt nicht" bei Carta spekuliert...

Essay als PDF




wf

Dienstag, 11. August 2009

Wir irren stündlich (in idiosynkratischen Kontingenzen)

Aus unserer beliebten Reihe zur Experimentellen Philosophie

Wer seine Gesinnung öffentlich zur Schau trägt, hat schnell ein paar Spötter im Rücken. Dabei will er doch nur zeigen, wie sehr er sich einer Idee verbunden fühlt, etwa wenn der blaßgesichtige Hänfling im California-Surfing-T-Shirt zur Grillparty kommt oder der beschlipste Banker in der Mittagspause im Dritte-Welt-Café gegenüber den Che Guevara neckisch unter dem lässig geöffneten Jacket hervorblinzeln lässt.

Die Symbole des versäumten Lebens sind freilich auch ergiebige Geldquellen für diverse Textil-Siebdrucker und Logo-Rechteinhaber und vor dem Diskurshintergrund über die Unverkäuflichkeit immateriell-digitaler Werte in der Kostenlos-Mentalität des Internet erschien es mir abseits aller moralischer Erwägungen wohlfeil, auch mich selbst mit etwas derartig Handfestem als kleine automatisierte Zusatzeinnahme zur Sicherung meines materiellen Lebensunterhalts zu entlohnen ;-)

t-shirt-irrenNun lässt sich aber mein Konterfei wegen des mangelnden Boulevard-Profils genau so wenig vermarkten wie meine doch sehr selektiven dummen Sprüche, so dass etwas Allgemeingültiges, auch dem letzten Trottel Verständliches her musste: Ein echter Lichtenberg, der sich im lang zurückliegenden Tode nicht mehr gegen seine Verwurstung wehren kann, durfte es da schon sein!

Gedacht - getan, also ab zum Praxis-Test. Und weil in Klamottendingen bekanntlich immer die Frauen das Einkaufs-Sagen haben, war zunächst die Kassiererin in meinem Supermarkt fällig. Nach einem kurzen Blick auf mein T-Shirt sah sie sich verstohlen um, ob nicht etwa der Filialleiter in der Nähe stünde und raunte mir dann verschwörerisch zu: "So gehts mir fast minütlich."

Abends in der Stammkneipe zog mich die Wirtin beiseite und jammerte: "Ja mei, des hab I dem Typ da neulich wirklich ned angsehn, der hat so normal gwirkt, dass I eam no a Bier geben hab. Aber dass der mir dann gleich die ganze Theke vollspeibt, na woaßt!"

Und als ich nach Kneipenschluss ihre süße Bedienung, von mir immer reichlich mit Trinkgeld bedacht, noch nach Hause gefahren hatte, zog die mir anstelle eines belanglosen Danke Schön! einfach das T-Shirt über den Kopf und schnurrte: "Na, du hast dich nicht geirrt ..."

Nach diesem durchaus zufriedenstellenden Testlauf blieb noch die philosophische Aufbereitung des Sprücherls, sozusagen als Beipackzettel für etwaige intellektuell-reflektierende Käufer, und dazu verweise ich immer gern auf Richard Rorty, der die menschlichen Irrungen im Denken, Reden und Handeln in den idiosynkratischen Kontingenzen der persönlichen Vergangenheit begründet sieht, aus denen sich das "Ich" des Menschen ständig neu und flüchtig konstituiert. Oder aber auf die sinngleiche Annahme des klugen Gautama, der die irrige Vorstellung von einem stabilen "Selbst" als die Ursache vieler Denkübel erkannte - eine nicht-dauernde Manifestation karmischer Wirkungen aus dem Anatman.

Lichtenberg selber, eines Tages von seinen Studenten nach dem wahren Sinn seines oft benutzten Sprüchleins gefragt, deutete durch das offene Fenster auf die soeben schlagende Turmuhr der gegenüberliegenden Göttinger Universitätskirche St. Nikolei und spottete: "Ja hört ihr es denn nicht?"

So darf sich denn jeder Träger dieses identitätsstiftenden T-Shirts in dem großartig-größenwahnsinnigen Gefühl suhlen, ein unglaublicher Provocateur und Teil einer wissend-verschworenen Gemeinschaft zu sein, deren wahre Gesinnung der Käufer-von-der-Stange nicht versteht ;-)

wf



Her mit dem T-Shirt!


Im Übrigen erschien zur Experimentellen Philosophie am 6.7.09 ein amüsant-informativer Artikel von Malte Dahlgrün in der Süddeutschen Zeitung. Nun ist der Original-Artikel aber nicht frei, sondern nur kostenpflichtig im Internet zugänglich - allerdings kann der Beitrag als Scan kostenlos auf dem amerikanischen Philo-Blog "Experimental Philosophy" gelesen werden.
Wer O-Ton bevorzugt, möge die kurze Einführung ins Thema von Joshua Knobe (Princeton University), einem der "Gründerväter" der X-Phi, lesen: What Is Experimental Philosophy? (PDF, englisch).

Dienstag, 23. Juni 2009

Bundestagspetition zu Urheberrecht und GEMA

Dass die Inkasso- und Ausschüttungs-Modalitäten der GEMA im Zusammenhang mit den aktuellen Diskussionen um das Urheberrecht dringend verändert werden müssen, wird von Künstlern, Veranstaltern, Kulturinitiativen und auch vielen Politikern seit langem gefordert. Nun liegt eine entsprechende Petition an den Deutschen Bundestag zur Mitzeichnung (bis 17. Juli 09) vor, die in der laufenden Diskussion ergänzt und verfeinert werden kann.
Die Petition wurde bisher von mehr als 52.000 Bürgern gezeichnet (Stand 23.6. - 50.000 erforderlich zur Zulassung) und viele Details und Erweiterungen, auch bezüglich der von uns monierten urheberrechtlichen Freiheit, werden im zugehörigen Forum diskutiert, so dass der Rechtsausschuss des Bundestags reichlich Denkfutter auf die Tische bekommt.

mehr dazu hier im Kultur- und Philosophie-Blog

Donnerstag, 2. April 2009

YouTube / Knebelverträge der GEMA

Welche kulturellen Fluschäden die GEMA mit ihren völlig überzogenen Lizenzforderungen an Veranstalter und Musikmedien anrichtet, zeigt sich in bisher unbekannter Dimension bei der aktuellen Auseinandersetzung mit YouTube.
Das ist die öffentlich sichtbare Spitze eines Eisbergs, an dem wohl noch viele Schifflein der Kreativität und des Idealismus zerschellen werden, wenn sich nix ändert.
Zu den Hintergründen, die auch alle Musiker, Veranstalter und Labels betreffen, habe ich einen (verärgerten) Artikel beim "Oxnzeam" gebloggt, an den ihr im Kommentarteil gern eigene Erfahrungen mit diesem überholten Inkassoverein hängen könnt - vielleicht hilft ja eine starke Öffentlichkeit, was zu bewegen (der DRMV ist da schon länger dran)- siehe:

YouTube und die Knebelverträge der GEMA

Sonntag, 22. März 2009

Ziemlich jazzig ...

... gings in den letzten Beiträgen von Oxnzeam zur Sache. Als Gimmicks zu kulturkritischen Beiträgen gibts Live-Sound / Musikvideos von Esperanza Spalding und den Jazz Pistols ...